Wie ich zum Nähen kam - meine Nähgeschichte.
Ich bin mir ÜBERHAUPT nicht sicher, ob das eine gute Idee ist... ob ich damit jemanden verschrecke oder vor den Kopf stoße oder sonstwie anecke.
Aber ich fand, es wurde an der Zeit, sich mal zu outen. Und meinen Standpunkt dar- und klarzustellen.
Angeregt unter anderem durch die Diskussion bei Catherines Blog.
Sozusagen "Gender matters Teil 4". ;-)
Herzlichst, Sathiya
Wie ich zum Nähen kam
Ich bin im Osten Deutschlands
aufgewachsen. Wie so viele meiner Generation (Jahrgang 1968) und Herkunft hatte ich
keine große Auswahl an fertig konfektionierter Kleidung bzw. die
Anzahl und Qualität der angebotenen Konfektionsware war sehr
gegrenzt. Meine Mutter besaß eine Nähmaschine und wie viele meines
Alters begann auch ich mit 13, 14 Jahren, damit zu experimentieren.
Um sich individuelle Kleidungstücke herzustellen – die passten,
schick waren und sich wohltuend abhoben vom allgemeinen
DDR-Kaufhaus-Modetrend bzw. mit Stolz vorgeführter Secondhand-Mode
aus dem Westen. Zunächst waren es nur unzählige Flicken, die auf
die Lieblingsjeans aufgesetzt wurden, danach eine Bluse, Röcke (die
eher Ähnlichkeit mit Kartoffelsäcken hatten und ansonsten auch
ziemlich öko aussahen), Shirts. Und ich begann zu stricken, zu
häkeln, zu sticken, alles mögliche mit meinen Händen herzustellen.
Mit 23 Jahren kaufte ich meine erste
Nähmaschine. Sie begleitete mich viele Jahre, bis ich mir vor acht
Jahren eine „gute“ Pfaff leistete, mit der ich heute noch nähe.
Gelegentlich wünsche ich mir eine Overlock, auch mit einer
Stickmaschine habe ich schon geliebäugelt, aber ich komme
hervorragend mit meinem Maschinchen zurecht.
Wieso nähe ich jetzt immer noch – da
ich doch alles kaufen könnte – nun, da auch ich im „Westen“
lebe?
Genau aus diesm Grund. :-)
Meine größere Tochter war zwei, als
ich mich dazu entschloß, meine eigene Kleidung und ihre mit meiner
eigenen Nähmaschine zu nähen. Ich hatte nicht viel Geld – das
Studium abgebrochen, eine Ausbildung zur Krankenschwester angefangen,
und ich sah es überhaupt nicht ein, eine Riesensumme für
Kindersachen auszugeben, wenn ich für den Preis EINES T-Shirts
gleich drei Meter guten Jerseys kaufen konnte und daraus VIER
T-Shirts nähen konnte. Dazu kam noch, daß ich schon mit 19 eine
Figur hatte, die mit der üblichen Konfektionsware nicht gut
zurechtkam – die Ärmel waren IMMER zu kurz, die Schultern zu
schmal, und die Jeans saßen nur dann einigermaßen, wenn ich
nachgeholfen hatte.
Also begann ich, selbst zu nähen. Für
meine erste Bluse habe ich 16 Stunden gebraucht... und die erste Hose
war in 12 Stunden fertig – ein Horror, den Reißverschluß
einzunähen!!! Knopflöcher mit der Hand genäht!!! Darüber kann ich
heute nur schmunzeln...
Jedenfalls nähte ich damals und nähe
heute immer noch.
Das hat mittlerweile nichts mehr mit
Sparen und wenig verfügbaren Geldes zu tun – sondern mit Prinzip.
Ich nähe, weil dies für mich eine Art politischer Haltung, eine Art
Konsumverweigerung darstellt, eine Möglichkeit, gegen das System zu
protestieren. Ich nähe, weil ich mich nicht abhängig machen will
von zentral (das heißt von wenigen Menschen) vorgegebenen
Modetrends. Weil ich nicht dran beteiligt sein will, daß immer mehr
verdient wird an immer schlechteren Produkten, die nur mit knapper
Not eine Saison durchhalten.
Weil ich es höchst bedauerlich finde,
daß man dem Durchschnittsmenschen auf der Straße ansieht, bei
welchem Kleidungsdiscounter er eingekauft hat – und daraus direkte
Rückschlüsse auf dessen Einkommen, finanzielle Lage und vor allem
seinen Geschmack (vom Charakter ganz zu schweigen) ziehen kann. Das
hat mich schon zu DDR-Zeiten angeko...., als man schon anhand der
Klamotten sehen konnte, wer denn jetzt West-Verwandtschaft hatte, die
mit Westpäckchen elegant ihre alten getragenen Sachen entsorgt hat.
Ich nähe, weil nur ich meinen
Geschmack kenne. Weil ich meine Kleidung auf meine Maße und
Bedürfnisse abstimmen kann, weil ich nicht von einer Vorauswahl
irgendwelcher Einkäufer abhängig sein will (das stört mich auch im
Supermarkt – der nur das anbietet, was irgendein Schreibtisch-Typ
bestimmt hat). Und weil es mir Spaß macht. Freude bereitet,
Befriedigung verschafft, mein Glücksempfinden erhöht.
Und weil es zu mir paßt.
Lange störte es mich ungemein, wenn
man mich auf meine Kleidung hin ansprach und mich fragte, wo ich es
denn gekauft hätte. Alle waren begeistert davon und wollten es auch
(kaufen) – bis sie erfuhren, es sei ja „nur selbstgenäht“.
Diese Einstellung begegnete mir über die Jahre immer wieder und es
ist wirklich schwer, sich das nicht zu Herzen zu nehmen.
Mittlerweile sehe ich es als
Kompliment, wenn jemand mir sagt, es sähe ja aus „wie gekauft“.
Schüttle im Stillen meinen Kopf und
denke mir meinen Teil... Es heißt ja auch von besonders schönen
Blumen oder Früchten, sie sähen aus „wie gemalt“. Akzeptiert.
:-)
Das war in Kürze (aber länger als ich
gedacht hätte) die Geschichte, wie ich zum Nähen kam...
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